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Standesbezeichnungen in alten Kirchenbüchern des Kirchenkreises Osterwieck |
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Wer sich mit Familienkunde befasst und in alten Kirchenbüchern nach seinen Vorfahren forscht, der wird immer wieder auf Begriffe stoßen, die ihm unbekannt sind, deren Deutung ihm deshalb schwer fällt. Der Archivar Gerhard Reiche aus Osterwieck, der sich in jahrzehntelanger Arbeit mit den Kirchenbüchern des ehemaligen Kirchenkreises Osterwieck beschäftigt, hat ein Glossar geschaffen, in dem er solche - wie er es nennt - "archaischen Ausdrücke" aus unserer Region benennt und erklärt. Ich will im folgenden die Standesbezeichnungen wiedergeben, von denen viele in familienkundlichen Wörterbüchern deshalb nicht auftauchen, weil sie landschaftlich gebunden sind. Ich bin dem verdienstvollen Archivar Gerhard Reiche dankbar, dass er uns sein Glossar zur Verfügung gestellt hat. Ackermann, auch Vollspänner genannt, stand im
18. Jahrhundert in der bäuerlichen Hierarchie an erster Stelle. Er bewirtschaftete
wenigstens 4 Hufen Land. Als höriger Großbauer war er seiner Grundherrschaft mit zwei
Gespannen dienstverpflichtet. Anbauer wurde ein Kleinbauer genannt, der einen Kothof besaß, der zumeist mit Hof- und Gartenland ausgestattet war. Brinksitzer wohnten am Dorfrande (Brink = Grenze) und besaßen ein kleines dörfliches Anwesen. Oft waren sie auch im gewerblichen Bereich tätig. Gens d'Armes ist nicht zu verwechseln mit dem Landgendarmen des 19.
und 20. Jahrhunderts, der das Amt eines Dorfpolizisten ausübte. Es handelte sich vielmehr
hier um den Kürassier im Königlich Preußischen Regiment Gens d'Armes zu Potsdam. Das
Regiment hatte Ende des 18. Jahrhunderts seinen Rekrutierungskanton im Fürstentum
Halberstadt. Halbspänner waren größere hörige Bauern, die mit zwei Pferden zu Spanndiensten verpflichtet waren. Nach den Ackermännern standen sie in der bäuerlichen Hierarchie an zweiter Stelle. Hospitalit war die Bezeichnung für die mit einem besonderen Status versehenen Insassen eines Hospitals. In Osterwieck bestand vom frühen Mittelalter bis 1954 als karitative Einrichtung das Hospital St. Bartolomaeus. Karner oder Kärrner ist eigentlich die Bezeichnung für einen Karrenzieher, also für einen Fuhrmann. Korntreiber waren Kaufleute, die oft mit Eselsgespannen die Harzer Hochflächen, auf denen kein Ackerbau möglich war, mit Getreide versorgten. In Osterode/Harz ist dem Korntreiber ein Denkmal gesetzt. Kothsaß oder Kossath ist der Besitzer eines Kotten, einer Kate. In
anderen Gegenden wird er auch Kötter genannt. Er besitzt nur ein kleines
Haus und etwas Gartenland und verdingte sich auf größeren Höfen als Tagelöhner oder
übte eine handwerkliche Tätigkeit aus. Leibzüchter (1902 im Kirchenbuch Stiege) Synonym für den Altenteiler. Bei der Übergabe des Hofes an den Hoferben erhält der Altenteiler oder Leibzüchter für sich und seine Frau auf Lebenszeit vertragsmäßig ein Häuschen (das Altenteil) zugesichert und außerdem eine in der Hauptsache aus Naturalien bestehende Versorgung. Maltzmesser waren als Marktaufseher für den Kornhandel zuständig. Im mittelalterlichen Marktrecht kontrollierte ein umfangreicher Personenkreis das Marktgeschehen: Warenschauer, Waage-, Eich- und Münzmeister, inspizierende Marktherren, Bierherren, Weinstecher, verschiedene Visierer und Messer für Salz, Korn, Heu, Holz und Brot. Müller waren zumeist Pachtmüller, die, da der Pachtzins häufig vom
Grundherren sehr hoch angesetzt wurde, kaum ihr Auskommen fanden und sich nach einigen
Jahren neue Pachtungen suchen mussten. Nachbarlicher Einwohner war eine
Standesbezeichnung. Es handelt sich um die Kernbevölkerung einer Gemeinde, der
"Altgemeinde", einen geschlossenen Personenkreis höherer Schicht im Gegensatz
zu den Anbauern. Oeconom siehe unter Ackermann Pächter bildeten im 18./19. Jahrhundert einen besonderen Stand.
Friedrich Wilhelm I. hatte bereits 1717 seine Kriegs- und Domänenkasse angewiesen, die
Domänen weder dem Adel noch den Bauern zu verpachten. Es sollten vermögende Bewerber aus
den Gewerbe- oder Beamtenfamilien bevorzugt werden. Partieuller ist eine andere Bezeichnung für Rentier. Es handelt sich
also um einen Privatmann, der von seinem Vermögen lebt. Reuter ist ein (Cürassier-) Reiter, in unserer Gegend meist vom Königlich Preußischen Cürrassier-Regiment Nr. 6 mit dem Standort in Aschersleben. Für die Reuter treffen gleiche Bedingungen wie für Gens d'Armes zu. Riegemann oder Reibemann ist eine Standesbezeichnung, die besonders in
der Grafschaft Wernigerode und der Reichsbaronie Schauen bis zur Mitte des 19.
Jahrhunderts teils solitär, teils in der Verbindung mit dem Beruf gebräuchlich war. Schäfer oder Schafmeister (opilio = Schafhirte) waren eng in die
ständische Gesellschaft eingebunden. Sie waren zwar keine hörigen Bauern, aber doch
immer von ihrer jeweiligen Dienstherrschaft abhängig. Die dörfliche Gemeinschaft
beschäftigte jeweils einen Gemeindeschafmeister, auch Bauernschafmeister genannt, welcher
die Schafe der einzelnen Bauern hütete, während der Amtsschafmeister für die Herden des
Grundherren zuständig war. Ihre eigenen Schafe ließen die Schäfer"mitlaufen".
Nicht selten kamen sie zu beträchtlichem Wohlstand. Spitzspänner stand in der bäuerlichen Hierarchie zwischen dem Ackermann und dem Halbspänner. Er war mit drei Pferden der Grundherrschaft dienstpflichtig. Die Bezeichnung blieb auch nach der Bauernbefreiung für einen Mittelbauern im Anfang des 19. Jahrhunderts gebräuchlich. |
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