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 Standesbezeichnungen in alten Kirchenbüchern des Kirchenkreises Osterwieck

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Wer sich mit Familienkunde befasst und in alten Kirchenbüchern nach seinen Vorfahren forscht, der wird immer wieder auf Begriffe stoßen, die ihm unbekannt sind, deren Deutung ihm deshalb schwer fällt.

Der Archivar Gerhard Reiche aus Osterwieck, der sich in jahrzehntelanger Arbeit mit den Kirchenbüchern des ehemaligen Kirchenkreises Osterwieck beschäftigt, hat ein Glossar geschaffen, in dem er solche - wie er es nennt - "archaischen Ausdrücke" aus unserer Region benennt und erklärt.

Ich will im folgenden die Standesbezeichnungen wiedergeben, von denen viele in familienkundlichen Wörterbüchern deshalb nicht auftauchen, weil sie landschaftlich gebunden sind.

Ich bin dem verdienstvollen Archivar Gerhard Reiche dankbar, dass er uns sein Glossar zur Verfügung gestellt hat.


Ackermann, auch Vollspänner genannt, stand im 18. Jahrhundert in der bäuerlichen Hierarchie an erster Stelle. Er bewirtschaftete wenigstens 4 Hufen Land. Als höriger Großbauer war er seiner Grundherrschaft mit zwei Gespannen dienstverpflichtet.
Die Bezeichnung Ackermann blieb auch nach der Bauernbefreiung gebräuchlich und wurde erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts von dem wenig schönen Begriff "Oeconom" abgelöst.

Anbauer wurde ein Kleinbauer genannt, der einen Kothof besaß, der zumeist mit Hof- und Gartenland ausgestattet war.

Brinksitzer wohnten am Dorfrande (Brink = Grenze) und besaßen ein kleines dörfliches Anwesen. Oft waren sie auch im gewerblichen Bereich tätig.

Gens d'Armes ist nicht zu verwechseln mit dem Landgendarmen des 19. und 20. Jahrhunderts, der das Amt eines Dorfpolizisten ausübte. Es handelte sich vielmehr hier um den Kürassier im Königlich Preußischen Regiment Gens d'Armes zu Potsdam. Das Regiment hatte Ende des 18. Jahrhunderts seinen Rekrutierungskanton im Fürstentum Halberstadt.
Im Kirchenbuch Abbenrode sind sie zur damaligen Zeit so zahlreich vertreten, dass sie mit der Abkürzung "G.d'A." eingetragen wurden.
Interessant dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass diese Soldaten in Friedenszeiten neun bis zehn Monate jährlich beurlaubt wurden und ihrem Gewerbe oder der landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen konnten. Der Sold wurde in dieser Zeit vom Kompaniechef eingestrichen. (s. auch Reuter)

Halbspänner waren größere hörige Bauern, die mit zwei Pferden zu Spanndiensten verpflichtet waren. Nach den Ackermännern standen sie in der bäuerlichen Hierarchie an zweiter Stelle.

Hospitalit war die Bezeichnung für die mit einem besonderen Status versehenen Insassen eines Hospitals. In Osterwieck bestand vom frühen Mittelalter bis 1954 als karitative Einrichtung das Hospital St. Bartolomaeus.

Karner oder Kärrner ist eigentlich die Bezeichnung für einen Karrenzieher, also für einen Fuhrmann.

Korntreiber waren Kaufleute, die oft mit Eselsgespannen die Harzer Hochflächen, auf denen kein Ackerbau möglich war, mit Getreide versorgten. In Osterode/Harz ist dem Korntreiber ein Denkmal gesetzt.

Kothsaß oder Kossath ist der Besitzer eines Kotten, einer Kate. In anderen Gegenden wird er auch Kötter genannt. Er besitzt nur ein kleines Haus und etwas Gartenland und verdingte sich auf größeren Höfen als Tagelöhner oder übte eine handwerkliche Tätigkeit aus.
Es kommen deshalb oft die Bezeichnung Kothsaß und Zimmermann, Kothsaß und Schneider, Kothsaß und Maurer, Kothsaß und Leinweber und andere vor. In Stapelburg taucht 1677 einmalig die Bezeichnung Kothsaß und Kunstpfeiffer auf.
Der Bezeichnung Kossath wird häufig auch noch das Attribut "Groß-" oder "Klein" vorangestellt, so dass wir also auch Groß- und Kleinkäthner finden. Als Synonyme finden wir auch den Häusler, der in der Regel, da er nur wenig Land und Vieh besaß, sich als Tagelöhner verdingen musste, ebenso auch den Büdner, eine Bezeichnung, die auch für den Kleinkrämer gilt, der seine Ware in einer Bude feilbietet.

Leibzüchter (1902 im Kirchenbuch Stiege) Synonym für den Altenteiler. Bei der Übergabe des Hofes an den Hoferben erhält der Altenteiler oder Leibzüchter für sich und seine Frau auf Lebenszeit vertragsmäßig ein Häuschen (das Altenteil) zugesichert und außerdem eine in der Hauptsache aus Naturalien bestehende Versorgung.

Maltzmesser waren als Marktaufseher für den Kornhandel zuständig. Im mittelalterlichen Marktrecht kontrollierte ein umfangreicher Personenkreis das Marktgeschehen: Warenschauer, Waage-, Eich- und Münzmeister, inspizierende Marktherren, Bierherren, Weinstecher, verschiedene Visierer und Messer für Salz, Korn, Heu, Holz und Brot.

Müller waren zumeist Pachtmüller, die, da der Pachtzins häufig vom Grundherren sehr hoch angesetzt wurde, kaum ihr Auskommen fanden und sich nach einigen Jahren neue Pachtungen suchen mussten.
In Stapelburg und Veckenstedt besaß der Graf zu Stolberg und Wernigerode als Grundherr die Mühlen und hatte sie in Zeitpacht vergeben. Die Müller hier nannten sich deshalb Hochgräfliche Mahlmüller.

Nachbarlicher Einwohner war eine Standesbezeichnung. Es handelt sich um die Kernbevölkerung einer Gemeinde, der "Altgemeinde", einen geschlossenen Personenkreis höherer Schicht im Gegensatz zu den Anbauern.
Die nachbarlichen Einwohner, die kurz Nachbarn genannt wurden, genossen streng definierte Nachbarschaftsrechte, waren Anteilseigner des Gemeindeeigentums (Allmende und Forstrechte) und stellten die Kirchenältesten und Dorfschöppen. (s. auch Riegemann)

Oeconom siehe unter Ackermann

Pächter bildeten im 18./19. Jahrhundert einen besonderen Stand. Friedrich Wilhelm I. hatte bereits 1717 seine Kriegs- und Domänenkasse angewiesen, die Domänen weder dem Adel noch den Bauern zu verpachten. Es sollten vermögende Bewerber aus den Gewerbe- oder Beamtenfamilien bevorzugt werden.
Der Grund lag darin, dass der König dem Adel kein ausreichendes ökonomisches Interesse zutraute, bei einer Verpachtung an Bauern befürchtete, sie würden auf Kosten ihrer eigenen Wirtschaft den Pachthof aussaugen. Die Pächter gehörten also nicht zu den Gutsherren, da ihnen das Land nicht gehörte, aber auch nicht zu den Bauern, da sie keine Hand- und Spanndienste leisten mussten. So bildeten sie einen Stand für sich.

Partieuller ist eine andere Bezeichnung für Rentier. Es handelt sich also um einen Privatmann, der von seinem Vermögen lebt.
Er sollte nicht mit dem Partiarus verwechselt werden, dem Halbbauern.

Reuter ist ein (Cürassier-) Reiter, in unserer Gegend meist vom Königlich Preußischen Cürrassier-Regiment Nr. 6 mit dem Standort in Aschersleben. Für die Reuter treffen gleiche Bedingungen wie für Gens d'Armes zu.

Riegemann oder Reibemann ist eine Standesbezeichnung, die besonders in der Grafschaft Wernigerode und der Reichsbaronie Schauen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts teils solitär, teils in der Verbindung mit dem Beruf gebräuchlich war.
Die Riegeleute bildeten die Kernbevölkerung einer Gemeinde (s. Nachbarliche Einwohner).

Schäfer oder Schafmeister (opilio = Schafhirte) waren eng in die ständische Gesellschaft eingebunden. Sie waren zwar keine hörigen Bauern, aber doch immer von ihrer jeweiligen Dienstherrschaft abhängig. Die dörfliche Gemeinschaft beschäftigte jeweils einen Gemeindeschafmeister, auch Bauernschafmeister genannt, welcher die Schafe der einzelnen Bauern hütete, während der Amtsschafmeister für die Herden des Grundherren zuständig war. Ihre eigenen Schafe ließen die Schäfer"mitlaufen". Nicht selten kamen sie zu beträchtlichem Wohlstand.
Sie genossen eine gewisse Freizügigkeit, konnten sich also ihre Dienstherrschaft wählen. Oft zogen sie herum.
Erst nach den Bauernbefreiungen und der Einführung der Gewerbefreiheit können wir von selbständigen Schäfern sprechen.

Spitzspänner stand in der bäuerlichen Hierarchie zwischen dem Ackermann und dem Halbspänner. Er war mit drei Pferden der Grundherrschaft dienstpflichtig. Die Bezeichnung blieb auch nach der Bauernbefreiung für einen Mittelbauern im Anfang des 19. Jahrhunderts gebräuchlich.

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Letzte Änderung: 13.11.00 (UG)
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